Ein Stück Hamburger Hafen für Zuhause.
- Photos & Written by: Uta Gleiser
- INTERVIEW MIT: Hajo
Hach Hamburg, seit 10 Jahren bin ich hier zu Hause. Seitdem kann ich mir keinen anderen Lebensmittelpunkt mehr vorstellen. Ein Teil des Charmes dieser Stadt liegt für mich eindeutig am Hafen, denn dieser übt nach wie vor eine Faszination auf mich aus.
Vom Altonaer Balkon auf die Kräne schauen, einen Spaziergang entlang der Elbe vorbei an den Barkassen, Schleppern und einfahrenden Container-Schiffen. Diese Eindrücke ziehen jedes Jahr auch tausende von Menschen in den Bann und hinterlassen gleichzeitig auch etwas Fernweh. Der Hafen hat seine eigene Geschichte und Sprache und die Menschen, die dort arbeiten, sind wohl ein eigener Schlag.
Hajo, von dem jungen Hamburger Label „Kesselklopper“, stolperte im wahrsten Sinne des Wortes über ein Stück des Hamburger Hafens, einer Palette. Kesselklopper stellt Tische, Bänke und Hocker aus Hafenpaletten her. In aufwendiger Arbeit und Liebe für’s Detail entstehen jedes Mal Unikate. Was der Unterschied zu einer herkömmlichen Palette ist, warum Hajo sich für den Hafen und seine Geschichte begeistert und was es mit dem Namen Kesselklopper auf sich hat, wird er selber erzählen.
Lieber Hajo,
du gehört zu den Menschen, die schon einige berufliche Stationen in seinem Leben hatten. Manchmal spielt einem das Leben einen Streich und man muss einen anderen Weg einschlagen. Das finde ich mutig, spannend und inspirierend zugleich.
Von daher erzähle doch erst mal ein bisschen, was vor dem „Kesselklopper“ war
Hajo // Hallo Uta, mit einem Streich komme ich da wohl nicht aus. Nach einer Schneiderlehre habe ich zu einer Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker gewechselt, weil ich einen Beruf brauchte, in dem ich Ideen sofort umsetzen konnte. Design & Konstruktionen waren schon immer meine Leidenschaft, Architekt oder Industriedesigner mein Traumberuf, jedoch sind das Berufe, die ohne Studium so gut wie nicht zu verwirklichen sind. An Entwürfen für Wettbewerbe und Prototypen im Möbelbereich arbeitete ich schon immer nebenbei, daher blieb dies immer nur ein Zubrot.
Nach einem einschneidenden privaten Ereignis hatte ich mich dann für eine radikale Veränderung entschieden. Meine Heimatstadt Minden tauschte ich gegen Hamburg ein, wechselte beruflich meine Perspektive und verabschiedete mich erst einmal von meinen kreativen Träumen.So bin ich vor ca. 5 Jahren nach Hamburg gekommen, um eine Weiterbildung zum Servicetechniker für Windkraftanlagen zu absolvieren. Nach meinem Abschluss habe ich dann europaweit Windparks im On- u. Offshore- Bereich installiert und fast ausschließlich aus dem Koffer gelebt. Gerade die Einsätze und das Leben auf See waren anfangs neu, ziemlich spannend und mit dem Helikopter zur Arbeit fliegen – voll cool. Nach und nach stellte sich jedoch Eintönigkeit ein, da sich die Tätigkeiten wiederholten und es sich nur um die Abarbeitung fertiger Prozesse handelte.
Im November 2016 kündigte ich dann ohne weitere Perspektive meinen Job, besuchte einen Bekannten im Hafen, welcher dort eine Metallwerkstatt unterhielt und fragte ihn nach einem Job. Ziemlich schnell war ich wieder in meinem Element und konstruierte u.a. für das focacceria-bonassola, Gaga, Chapeau und Strandpaulihatte wieder Raum für eigene Ideen.
Wie kam es, nach all dem, was du schon so gebaut hast, dass es Sitzmöbel und Tische aus Hafenpaletten wurden und was ist das Besondere an dieser Art Paletten?
Hajo // Irgendwann im Januar 2017 passierte es. Ich stolperte bei Aufräumarbeiten über eine Hafenpalette und wunderte mich über das enorme Gewicht des Holzes. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich die Schriftzüge, die teilweise eingebrannt sind. Das Format und die Art waren mir neu. Als mein Bekannter auf Nachfrage dann sagte „Och, das alte Ding liegt hier schon lange – kann`ste haben”, fing alles an.
Ich löste mein Versprechen bei meiner Freundin ein und baute den ersten großformatigen Tisch. In diesem Entstehungsprozess sind dann die ersten grundlegenden Gedanken
entstanden und ich benötigte weitere Paletten, was sich anfangs relativ schwierig gestaltete, aber lösbar war. Das Palettenfieber war ausgebrochen und ich recherchierte eine Materialquelle.Das Besondere an dieser Palettenart ist erstmal das verwendete Holz – uralte Buche. Hinzu kommt das Format und natürlich die Vielzahl von Brandings der verschiedenen im Hafen ansässigen Logistikern und Lagerhäusern. Die unterschiedlichen Farbmarkierungen nicht zu vergessen. Sie dienten vornehmlich zur Stückgutlagerung und waren auf Schwerlast und Langlebigkeit ausgelegt und somit auch entsprechend robust verschraubt. Dieses Verschraubungsdetail wollte ich bewusst übernehmen und in meine Entwürfe einfließen lassen. Die Ursprünglichkeit von Rissen, Astlöchern, Nägeln und Schrammen sollte erhalten bleiben und durch keine Formatkreissäge oder Dickenhobel begradigt werden.
Was hat es mit dem Namen Kesselklopper auf sich und was macht für dich die Faszination Hafen aus?
Hajo // Neben dem Arbeiten in der Werkstatt suchte ich nach einem Labelnamen, welcher einen Bezug zu Hamburg, dem Hafen und meinen Möbeln bilden sollte. Dieser sollte sich deutlich von den überlaufenen Begriffen wie Hanse, Elbe, Hafen etc absetzen. Bei meiner Recherche stieß ich auf die damaligen “Kedelklopper” und ihrer eigenen Sprache – der sogenannten Kedelklopperspook, die „Geheimsprache“ des Hafens für Eingeweihte. Die ersten wirklich passenden Namen fand ich dann letztendlich im Nachtjargon von St. Pauli, „so spricht der Kiez“.
Hier fanden sich z.b. Begriffe wie Grandy, welcher als Spitzname für einen Werftarbeiter verwendet wurde. Dieser passte perfekt zu meinem ersten Hocker, der wie ein Holzstapel aussieht, auf welchem die Schiffe in den Docks aufgebockt werden. Kaventsman steht für Welle, groß und mächtig und war somit perfekt für mein erstes Tischmodell. Da war es klar, aus Kedelklopper wurde Kesselklopper.
Der Hafen hat wohl auf viele Menschen eine Faszination. Für mich hat der Hafen immer etwas mit Sehnsucht oder besser gesagt Fernweh zu tun. Genauso faszinierend finde ich aber auch, dass dieser Teil von Hamburg rund um die Uhr in Bewegung ist. Der Hafen gehört zu Hamburg und ist ein großer Teil der Geschichte dieser Stadt.
Du hattest ja schon erzählt, dass du in unterschiedlichen Berufen gearbeitet hattest. Als die Idee von Kesselklopper entstand, hattest du dich bestimmt mit der Frage des Neuanfanges beschäftigt.
Wie bekommt man die Grätsche hin, zwischen Geld verdienen und das umzusetzen, was man gerne möchte?
Hajo // Ich arbeitete erst mal in Festanstellung, als ich mit Kesselkopper anfing. Eines Tages bekam ich den Anruf vom Internationales Maritimes Museum in der Hafencity. Sie interessierten sich für meine Werke und boten mir schließlich eine Ausstellungsfläche im Kaiserspeicher B, einschließlich Promotion und Verkäufen meiner Stücke über den Museumsshop, an. Die erste Kollektion aus Tisch, Hocker und Bänke stand dann erst mal dort. Aufgrund der Besucherzahlen und des internationalen Publikums versprach ich mir
Aufmerksamkeit und Nachfragen, jedoch musste ich feststellen, dass ein Museum ein Museum ist und kein Möbelhaus. Das war so einer der Zeiträume, in denen ich dann gezweifelt habe und dachte ok – das wars. Als ich schon gar nicht mehr damit gerechnet habe, kam die Anfrage einer großen Hamburger Bäckereifiliale. Gleichzeitig bot mir Johanna Pöpstl von Besonders die Gelegenheit, den geplanten Essbereich auf der Besonderslecker im Cruise Center auszustatten, was sich als die richtige Entscheidung herausstellte.
Ein bekanntes Möbelgeschäft aus Hamburg in der Großen Elbstraße, meldete auch sein Interesse an und stellte meine Möbel zum Verkauf aus und plötzlich entwickelte sich eine gewisse Eigendynamik. Da kam sie nun, die Grätsche. Ich musste mich entscheiden zwischen meinem zwischenzeitlich wieder angetretenen Beruf als Bauleiter mit sicherem Einkommen und Firmenwagen oder meiner Berufung – Produktentwickler mit ungewisser Zukunft.
Kesselklopper wird demnächst eventuell einen Showroom haben.
Wo wird der sein und was sind deine Ideen, die du unter Kesselklopper gerne noch umsetzen möchtest?
Hajo // Ein eigener Showroom war bisher nur ein Traum in weiter Ferne und vor allem in Hamburg fast undenkbar – fast. Als umzugsbedingt die bestehende Verkaufsfläche in der Großen Elbstraße vorübergehend wegfiel und es keine geeignete Präsentationsmöglichkeit
mehr gab, machte ich mich wieder auf die Suche und wurde im Kulturreich fündig.Hier in der Wexstrasse 28, 20355 Hamburg, mitten in der Neustadt, entsteht zum 11. März 2017 in Kooperation mit der Galerie LKB/G und dem Kulturreich mein neuer Showroom, in welchem ich neue Entwürfe des Labels Kesselklopper vorstellen werde und zum Kauf anbiete. Da meine Entwürfe nicht ausschließlich auf den Werkstoff Holz beschränkt sind, hoffe ich, weitere Projekte in naher Zukunft realisieren zu können und die Inspiration nicht langfristig ausbleibt!!
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